Recht fürsorglich

DIE ANWÄLTINNEN NINA AHREND UND SABINE MOELLER­NIETSCH VERTRETEN MENSCHEN, DIE KRANKHEITSBEDINGT IHRE ANGELEGENHEITEN NICHT MEHR REGELN KÖNNEN. WIE TRIFFT MAN VERANTWORTUNGSVOLLE ENTSCHEIDUNGEN FÜR JEMAND ANDEREN?

Die beiden niedergelassenen Anwältinnen Nina Ahrend und Sabine Moeller-Nietsch sind spezialisiert auf Vorsorge- und Betreuungsrecht. Ihre Kanzleien liegen Wand an Wand in der Innenstadt von Köln.

Frau Moeller-Nietsch, Frau Ahrend, was sind das für Fälle, in denen Sie die Verantwortung für andere Menschen übernehmen?

Sabine Moeller-Nietsch: In akuten Fällen geht es oftmals um Menschen, die nach einem Zusammenbruch oder aufgrund einer psychischen Erkrankung in eine Psychiatrie eingewiesen werden müssen und dort notwendige Medikamente bekommen sollen oder sogar fixiert werden müssen. Das sind tiefgreifende Eingriffe in die Freiheit der Person.

In der Regel sind diese Menschen aber so krank, dass sie ihren Willen dazu nicht mehr äußern und ihre eigenen Verfahrensrechte nicht mehr wahrnehmen können. Solche Maßnahmen sind immer nur zulässig, wenn sie durch einen richterlichen Beschluss genehmigt werden. Zum Schutz der Rechte des Betroffenen findet dann vor Ort eine Anhörung durch den Richter statt. Auch wir sind als sogenannte Verfahrenspfleger dabei und achten darauf, dass die Verfahrensrechte der Betroffenen in der Anhörung gewahrt bleiben.

Nina Ahrend: Neben der Funktion des Verfahrenspflegers übernehmen wir auch gesetzliche Betreuungen für Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht regeln können. Dabei geht es um die rechtliche Vertretung von Menschen, die an einer Krankheit wie zum Beispiel einer geistigen Behinderung, einer Psychose, einer Schizophrenie oder an Demenz leiden. Wir unterstützen diese Menschen in der Organisation des täglichen Lebens und regeln deren rechtliche, finanzielle, gesundheitliche oder behördliche Angelegenheiten.

Können sich betroffene Menschen frei für diese Betreuung entscheiden oder geschieht das gegen deren Willen?

Moeller-Nietsch: Grundsätzlich kann eine Betreuung nur mit dem Einverständnis der Betroffenen eingerichtet werden, es sei denn, diejenigen verfügen krankheitsbedingt nicht über einen freien Willen. Über die Hälfte unserer Betreuungsfälle sind Menschen, die sich freiwillig für eine Betreuung aussprechen. Diese Menschen sind uns dankbar und fühlen sich entlastet. Bei älteren Menschen geht es oft um die Organisation eines Heimplatzes, den Verkauf ihres Hauses oder ihrer Wohnung oder um die Organisation der häuslichen Pflege.

Schwieriger ist es, wenn die Betreuung gegen den Willen der Person angeordnet wird. Aber das sind keine leichtfertigen Entscheidungen.

Es muss per Gutachten erwiesen sein, dass die Person eben krankheitsbedingt keinen freien Willen mehr hat und betreuungsrechtlicher Regelungsbedarf besteht. Ist keiner da, der die Betreuung ehrenamtlich übernimmt, werden Anwälte oder sonstige Berufsbetreuer wie wir vom Gericht beauftragt, die Interessen der Betroffenen zu vertreten.

Wie treffen Sie die richtige Entscheidung für eine andere Person?

Ahrend: Über allem steht das Wohl der Betroffenen. Das ist der Sinn des Betreuungsrechts. Man muss sich in die Lebenssituation der Menschen und wie sie bisher gelebt haben, hineinversetzen. Wir führen viele Gespräche mit den Betroffenen und Angehörigen. Wenn das aufgrund von Demenz nicht mehr möglich ist, entscheiden wir, was unter den gegebenen Umständen das Beste für die Person ist. Wenn möglich, beziehen wir die Familien mit ein.

Wie gehen Sie persönlich mit dieser übertragenen Fürsorge um?

Ahrend: Man bekommt einen tiefen Einblick in das Leben der Betroffenen und das kann ganz schön hart sein. Wenn zum Beispiel ein alter kranker Mann in einer vermüllten Wohnung lebt und partout nicht ins Heim möchte. Zum verantwortungsvollen Umgang mit unserer Aufgabe gehört es auch, eine professionelle Distanz zu wahren.

Moeller-Nietsch: Es ist auch wichtig, zu akzeptieren, dass man einen Menschen und sein Leben, das er führt – egal wie furchtbar es uns Außenstehenden erscheinen mag – nicht immer ändern kann. Jeder darf so leben, wie er will.